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Renato: Ich bin mehr als Loch und Schwanz

Ich war in Brasilien als Tänzer engagiert. Und als ich die Schule fertig hatte, bin ich nach Deutschland auf Urlaub gekommen. Das hat mir ein bisschen gefallen, und es haben sich einige Jobs für mich ergeben. Ich habe tausend Sachen gemacht, die gut für mein Leben waren. Und als ich dann nach Brasilien zurückkam – das war nicht mehr das Gleiche. Dann bin ich wieder nach Berlin geflogen und habe versucht, hier einen richtigen Einstieg zu finden. Und das hat auch geklappt. Einen romantischen Grund gab es natürlich auch. Das war aber nicht der Hauptpunkt. Und ich bin bis heute hier geblieben. Das war vor 9 Jahren.

Viele deutsche Männer sind geradezu auf schwarze fixiert. Sie sind so wie Jäger, und das finde ich nicht gut. Ich will sagen: Hi, ich heiße Renato und ich bin schwarz. Nicht: Ich bin schwarz und heiße Renato. Als ich nach Berlin kam und in der Oper vortanzte, da haben auf einmal alle auf mich geguckt. Auf einmal habe ich in den Spiegel geguckt, und in dem Raum standen ungefähr 30 Tänzer, keine Ahnung, Männer und Frauen und ich war der einzige  Schwarze in diesem Raum. Und da wurde mir bewusst: phhh, du bist schwarz. Und es irgendwie eine weiße Welt, das klassische Ballett und die Schule Leipzig.  Und ich dachte, wow, was machst du nun? In solchen Momenten ist mir bewusst, dass ich schwarz bin aber sonst spielt das keine Rolle für mich.

Mir fällt auf, dass es kein Gespräch gibt in dieser Szene. Jeder ist für sich allein, aber niemand ändert das. Ich bin wirklich enttäuscht. Da sind Leute, die ich wirklich sehr gerne habe, in dieser Szene, die ich gerne näher kennenlernen würde. Aber sie lassen das nicht zu. Sie wollen wirklich diese Freiheit 110%ig  genießen. Diese Freiheit irgendwie: Sex, Sex, Sex . Fünfmal am Tag soviel man kriegt. Und deswegen bleib alles andere liegen. Und das ist offensichtlich in dieser Szene. Das ist wie eine Krankheit. Ich bin gestern im Tom´s gewesen, und sie standen alle irgendwie so da, und ich habe gedacht, OK. Und ich habe da gesessen und ich habe nur geguckt. Niemand hat sich da amüsiert. Ich finde das schade.

Dann gibt es diese Jäger, die laufen immer hinter dir her. Egal wo du bist. Sie kommen und laufen hinter dir her, sie stehen irgendwo, wo du auch bist. Aber e wird nichts gesagt. Und dabei wird mir klar, was gewollt ist. Wenn mich jemand interessiert, dann versuche ich das irgendwie weicher zu machen. Wenn die mich so anstarren, dann versuche ich denen keine Aufmerksamkeit zu schenken. Als ich einmal Abends bzw. nachts nach Hause gehen musste, ist es sogar schon passiert, dass sie hinterherkamen. Ich weiß nicht warum. Vielleicht denken sie, ich warte darauf. Ist ein bisschen verrückt. Ich bin ja auch sexuell sehr aktiv, aber ich bin nicht darauf fixiert. Deswegen versuche ich das nicht so ernst zu nehmen.

Die meisten interessieren sich für mich, weil ich ein Schwarzer bin. Nur deshalb. Und sie wollen eines: Sex. Und es gibt auch die Situation, dass man Sex hat und tschüss. Oder man sagt hallo, trinkt was, und dann geht man woanders hin und hat Sex. Und wenn das passiert ist, dann ist schon  Schluss. Also es geht überhaupt nicht um mich. Und dann ruf ich an, ruf ich nicht an…Und wenn man dann anruft, eine Woche oder einen Monat später und sagt,“ Oooh hallo, du hast nicht angerufen“, dann heißt es :“ Oooh, ich habe gewartet, dass du anrufst, ich dachte du hättest keine Lust“ und so. Und das ist es was mich wirklich stört.

Quelle: Deutsche AIDS-Hilfe e.V.